5. Tag: Nachdem wir uns am vorangegengenen Kurstag mit der Teleskop-Optik und Ihrer Ausrichtung beschäftigt hatten, stand nun der Unterbau des Fernrohrs im Fokus – und wie man mit etwas Hintergrundwissen die Positionsangaben der Sterne richtig interpretiert. Denn dann können wir erfolgreich mit unserem Teleskop und einem Sternenatlas auf die Astropirsch gehen.
Von Stativen
Zunächst einmal steht jedes Teleskop auf einem Stativ. Denn Teleskope für die freie Hand ist nur etwas für die alte Piratenschule. Je schwerer und robuster ein Stativ ist, desto fester und wackelfreier kann das Telekop darauf bedient werden. Die gängigsten Stative sind Dreibeine, die leicht auf- und abgebaut und transportiert werden können. Die leichtesten von ihnen sind aus Aluminium gefertigt, die schwereren aus richtigem Stahl. Je schwerer und stabiler ein Stativ ist, desto schwerer kann wiederum das Teleskop sein, das von ihnen getragen wird.
… und Montierungen
Doch noch fehlt ein entscheidendes Teil, welches das Teleskop mit dem Stativ verbindet: Es ist die sogenannte Montierung. Auf ihr wird das Teleskop arretiert. Je nach Einsatzweise gibt es im Prinzip zwei unterschiedliche Montierungsgattungen für unterschiedliche Anwendungsmöglichkeiten:
Die azimutale Montierung besteht aus 2 senkrecht aufeinanderstehenden Achsen. Die erste Achse weist direkt nach oben und lässt das Teleskop in die Himmelrichtungen schwenken. Dies ist die azimutale Achse. Die andere besteht aus einer Gabel, in der das Teleskop eingehängt oder eingeschraubt ist. Mit ihr lässt sich die Höhe des Teleskops vom Horizont bis in den Zenit (den Himmelspunkt direkt senkrecht über uns) kippen. Derartige Montierungen können ohne besondere Vorbereitung aufgestellt werden. Sie sind nicht nur für kleine Teleskope verfügbar, sondern können auch große Exemplare tragen. Es gibt sie sogar vollständig computerisiert; sie lassen das Teleskop über die Angabe eines astronomischen Zielobjektes direkt dorthin schwenken und verfolgen es mit einer kombinierten Drehbewegung über beide Achsen durch den nächtlichen Himmel.
Die 2. Gattung, die sogenannte parallaktische Montierung, besteht ebenfalls auf 2 senkrecht aufeinander stehenden drehbaren Achsen. Allerdings lässt sich eine von ihnen, die sogenannte Stundenachse, so kippen, dass sie direkt auf den Himmelspol am Nordstern zeigt. Der unter Hobbyastronomen mit Abstand verbreiteste parallaktische Typus ist die sog. Deutsche Montierung. Zur Justage, der sog. Einnordung, muss man jedoch einige Vorbereitungen treffen: Zunächst ist der Kippwinkel der Stundenachse auf die geographische Breite des Beobachtungsortes einzustellen. Hierzu ist am Fuße der Montierung eine 0 – 90° – Skala angebracht. Bleibt man bei seinen Beobachtungen in der gleichen Region, so ist diese Einstellung nur ein einziges Mal vorzunehmen. Zusätzlich ist diese Achse nach Norden auszurichten, damit sie dann auch direkt auf den Himmelspol am Nordstern zeigt. Hilfreich ist hier z.B. ein einfacher Kompass (oder eine Kompass-App für das Smartphone).
Hat man die Einnordung erfolgreich hinter sich gebracht, kann man endlich den Vorteil einer parallaktischen Montierung genießen: Ein einmal eingefangenes astronomisches Objekt lässt sich nun durch bequemes Drehen an einer einzigen Achse, der Stundenachse, leicht verfolgen. Diese Eigenschaft ist für einfache, manuell nachgeführte Optiken von unschätzbaren Vorteil; insbesondere bei höheren Vergrößerungen, da sich das schnell aus dem Blickfeld wandernde Objekt durch Drehen an einer einzigen Welle immer wieder bequem einfangen lässt.
Doch auch eine motorisch betriebene Nachführung, evtl. sogar mit einem Computer, lässt sich im Vergleich zu azimutalen Montierungen so viel einfacher (und damit auch kostengünstiger) realisieren bzw. einkaufen.
Einen Abstecher in die Astrofotografie
Für ihren Einsatz in der Astrofotografie gibt es ebenfalls einen wichtigen Unterschied bei den Montierungsarten. Während bei parallaktisch aufgehängten, eingenordeten Teleskopen die Lage des gesamten Bildfeldes der Kamera mitwandert und somit der Bildausschnitt bei längeren Belichtungen sich nicht ändert, tut er es leider bei azimutal aufgehängten Teleskopen. Bei Ihnen bleibt nur das fokussierte Objekt in der Bildmitte an Ort und Stelle im Sichtfeld, während durch die rein horizontale Bewegung des Bildausschnitts bei azimutalen Montierungen die Objekte am Bildrand hinein- oder herauswandern: Man spricht hier von der Bildfelddrehung. Diese macht sich aber erst bei längeren Belichtungszeiten von mehreren Minuten bemerkbar. Fotografiert man helle Objekte, wie etwa den Mond oder Planeten, so bleibt der Effekt meistens vernachlässigbar. Viele professionelle Fotos von den Planeten und ihren Monden (einschl. dem Erdmond) sind von großen, azimital montierten Optiken mit Gabelmontierung mit ein- oder zweihändiger Halterung aufgenommen worden.
Ist eine Kamera auf einem parallaktisch montierten Teleskop aufgesetzt, so kann man hier zusätzlich Langzeitbelichtungen von sehr lichtschwachen Objekten durchführen, ohne dass sich das Sichtfeld ändert. Damit empfehlen sich parallaktisch montierte Teleskope grundsätzlich für die Deep-Sky- Astrofotografie.
Die Koordinaten der Sterne verstehen: Deklination und Rektaszension
Im zweiten Kurstteil standen die Achsenskalierungen der parallaktischen Montierung, die Stunden- und Deklinationsachse im Vordergrund – und die Frage, wie man denn nun einen Stern aufgrund seiner Himmelskoordinaten (z.B. aus einem Sternenatlas) damit ‚einfangen‘ könnte.
Für die sog. Deklinationsachse ist die Antwort einfach; denn man holt sich aus einem Astronomie-Katalog die sog. Deklination eines Sterns (Abkürzung DEC) und stellt diesen Wert auf der Deklinationsachse ein. Die Deklination beschreibt, wie weit ein Stern vom Himmelspol entfernt ist. Dabei bedeutet eine Deklination von +90°, dass der Stern direkt über dem Himmelsnordpol steht (z.B. ist dies für den sog. Polstern quasi gegeben). Eine Deklination von hingegen -90° zeigt an, das der Stern auf dem Himmelssüdpol steht; also für uns Nordeuropäer nicht sichtbar direkt unter unseren Füßen. Und schließlich bedeutet eine Deklination von 0°, dass dieser Stern auf dem Äquator (genauer gesagt auf dem Himmelsäquator) steht; dies ist z.B. für den östlichen Gürtelstern Alnitak des Sternbilds Orion der Fall. Alle anderen Werte dazwischen sind entsprechend zu interpretieren. Generell sind alle Himmelsobjekte auf der nördlichen Himmelshälfte mit positiven Deklinationswerden versehen (bis +90°); die auf der südlichen Himmelshälfte mit negativen Werten (bis -90°).
Die andere Himmelskoordinate, die leider nicht direkt auf der Stundenachse des parallaktisch montierten Telekops eingestellt werden kann, ist die sogenannte Rektaszension (Abkürzung: RA). Sie besagt, einfach formuliert, zu welcher Jahreszeit ein Stern am nächtlichen Himmel zu finden ist. Dabei wird der Wert der Rektaszension nicht in Grad angegeben, sondern in 0-24 Stunden. Es gilt für die Beobachter auf der Nordhalbkugel unserer Erde:
- Alle Sterne, die den Winterhimmel bevölkern, haben einen Rektaszensionswert von ca. 0 Uhr bis 12 Uhr. Zur Mitternacht stehen die Sterne mit einer Deklination von 4 – 8 Uhr im Süden.
- Alle Sterne des Frühlingssternenhimmels weisen einen Rektaszensionswert von ca. 6 Uhr bis 18 Uhr auf. Zur Mitternacht stehen die Sterne mit einer Deklination von 10 – 14 Uhr im Süden.
- Im Sommer sehen wir Sterne mit Rektaszensionswerten von ca. 12 Uhr bis 24/0 Uhr. Im Süden stehen gegen Mitternacht Sterne mit einer Rektaszension von 16 – 20 Uhr.
- Im Herbst schließlich sehen wir Sterne mit Rektaszensionswerten von 18 Uhr bis 6 Uhr, während gegen Mitternacht Sterne mit einer Rektaszension von 22 Uhr bis 2 Uhr im Süden stehen.
Die Erde dreht sich nun unter dieser ‚Rektaszensionsskala‘ hindurch und damit auch unsere Stundenachse am Teleskop. Um zu wissen, in welche Sternenrichtung unsere Erde zeigt, benötigen wir die sog. Sternzeit (oder auch Siderische Zeit genannt). Die Sternzeit stimmt nur zum Zeitpunkt der Tag- und Nachtgleiche im Herbst mit der normalen Sonnenzeit überein, da ein Sternenzeittag nicht genau 24 aufweist, sondern nur 23 (Sonnen-)Stunden und 56 Minuten. Unsere Sternzeituhr geht also etwas schneller. Glücklicherweise haben wird dank unserer Smartphone-Appstores jederzeit die Möglichkeit, uns eine echte ‚Sternzeituhr‘ zu beschaffen.
Blickt man nun auf eine Sternzeituhr, so verrät sie uns, welche fernen Himmelsobjekte jetzt gerade im Süden stehen: Nämlich genau diejenigen, bei denen deren Rektaszensionswert mit unserer angezeigten Sternzeit unserer Sternzeituhr übereinstimmt!
Damit ergibt sich auch die Skalierung auf unserer Stundenachse des parallaktischen Teleskops: Sie zeigt die Differenz zwischen der Sternzeit und der Rektaszension eines astronomischen Objektes an. Stimmen Rektaszension eines Sterns und die Sternzeit unserer Uhr überein, so steht der Stern direkt beim Stundenskalenstrich ‚0‘, bei dem das Teleskop immer direkt nach Süden zeigt. Bei anderen Differenzen ist das Teleskop auf der Stundenskala entsprechend einzustellen. Und jetzt brauchen wir nur noch zu warten, bis der Stern zur vereinbarten Zeit direkt vor unserem Teleskop vorbeizieht…