Am Kurstag Nr. 6, den zweiten als coronasichere Skype-Konferenz abgehalten, kamen wir noch einmal auf die astronomischen Entfernungseinheiten zurück. Die Frage war: Bei welchen astronomischen Objekten werden eigentlich welche Maßstäbe bevorzugt?
Die Sache ist im Prinzip klar: Entfernungsmaßstäbe können nur sinnnvol eingesetzt werden, wenn die mit ihnen verbundenen Zahlenwerte noch genügend handlich sind. So sind Kilometerangaben in der Astronomie ausschließlich für die Abmessungen von kompakten astronomischen Objekten sinnvoll, etwa der Umfang der Erde (40.000 km), der Durchmesser des Mondes (3474 km) oder der der Sonne (1.39 Mio. km – hier wird es langsam sperrig).
Im Sonnensystem gibt es als Bezugsgröße, wir wir gesehen haben, die Astronomische Einheit AE oder AU (ca. 149.6 Mio km); also die mittlere Entfernung von Erde und Sonne. Sie kann ruhigen Gewissens als Entferungsmaßstab in unserem Sonnensystem verwendet werden. Oder?
Für die ‚echten‘ Planeten kommt das sehr gut hin. So ist Merkur als innerster Planet 0.37 AE von der Sonne entfernt; Planet Neptun ca. 30 AEs. Nimmt man noch den Zwergplaneten Pluto hinzu, so gilt für seine mittlere Sonnenentfernung etwa 39.5 AEs. Der Kuipergürtel der sog. transneptunischen Objekte ist jedoch recht ausufernd. So hat man ein Objekt namens Sedna entdeckt, am Rande des Kuipergürtels gelegen, welches eine extrem stark elliptische Bahn aufweist. So beträgt ihre Minimaldistanz (Perihel) zur Sonne ca. 76 AEs; ihre Maximalentfernung (Aphel) ca. 884 AEs. Doch sogar hier bleiben die Zahlenwerte der Astronomischen Einheit moderat. Aber hier hört das Sonnensystem noch nicht auf; denn die sog. Oortsche Wolke, die unser gesamtes Sonnensystem spährisch umschließt, besitzt eine Ausdehung von sage und schreibe 100.000 Astronomischen Einheiten; das sind umgerechnet ca. 1.6 Lichtjahre.
Wie man sieht, sind die Übergänge bei der Verwendung der Einheiten fließend: Die Ausläufer unseres Sonnensystems sind offenbar mehr als ein Lichtjahr von der Sonne entfernt; jedoch immer noch ihrem gravitativen Einfluss ausgesetzt.
Verlassen wir unser Sonnensystem in Richtung des nächst gelegenen Sterns Proxima Centauri, so ist Astronomische Einheiten obsolet. Hier gilt das Lichtjahr als bevorzugter Entfernungsmaßstab: 4.244 Lichtjahre ist dieser Stern von uns entfernt; in seiner unmittelbaren Nähe befindet sich auch das Doppelsternsystem Alpha Centauri, welches er in größerem Abstand umkreist. Proxima Centauri, ein Roter Zwerg, ist mit einer scheinbaren Helligkeit von 11mag nicht mit bloßem Auge zu erkennen; das benachbarte Doppelsternsystem Alpha Centauri A/B in 4.3 Lichtjahren Distanz hingegen schon (scheinbare Magnituden -0.003/1.333). Somit ist das Alpha Centauri das uns nächst gelegene, mit bloßem Auge sichtbare, Sternensystem. Allerdings versteckt es sich für uns Nordlichter unter dem Südhorizont im Sternbild des Zentauren.
Ab hier gilt also nun das Lichtjahr, wie für alle Objekte unserer Milchstraße, als die bevorzugte Entfernungseinheit. Da unser Milchstraßensystem ca. 200.000 Lichtjahre im Durchmesser misst, werden gelegentlich auch sogenannte Kilolichtjahre (KLj), also Tausender-Lichtjahre, verwendet. Dies gilt i.a. für Sternhaufen, Planetarische Nebel, Galaktische Nebel und Kugelsternhaufen. Auch das Parsec (3.26 Lichtjahre) wird in vielen Publikationen verwendet.
Verlässt man unsere Milchstraße und betrachtet entfernte Milchstraßensysteme, so wird es nun kosmologisch. Hier kommen die Millionen-Lichtjahre, kurz MLj, ins Spiel oder auch die Parsecs (3.26 Lichtjahre) bzw. MPc. So sind unsere Schwestergalaxien der Lokalen Galaxiengruppe ca. 2.5 MLj von unserem Sonnensystem entfernt.
Bei noch größeren Einheiten dominiert jetzt eher das Parsec, jedoch nicht in seiner einfachen Form, sondern als MPc (1 Mio. Parsec) oder GPc (1 Milliarde Parsec). Auf diesen Entfernungen (oder sollte man hier besser von Lichtlaufzeiten sprechen?) werden Galaxienhaufen, Voids (intergalaktische Leeren) und Quasare gemessen – oder die Größe des uns zugänglichen Universums selbst (ca. 10 GPc).