Am 4. Kurstag gingen wir der Frage nach, warum wir Sterne immer punktförmig wahrnehmen – auch durch unsere Teleskope betrachtet. Obwohl wir wissen, dass auch die Sterne ferne Sonnen sind, die im Gegensatz zu den Planeten meist einen riesenhaften Durchmesser aufweisen. Mit genügend leistungsfähigen Teleskopen müsste man doch eigentlich auf die Oberfläche dieser Sonnen blicken können?
Größe ist nicht alles…
Ob man auf die Oberfläche von Sternen blicken kann, hängt natürlich nicht nur davon ab, wie riesig groß ein Stern ist, sondern natürlich auch davon, wie weit er von uns entfernt ist. Dann entscheidet das Verhältnis von Größe des Sterns zu seiner Entfernung, ob man ihn punktförmig oder als Scheibchen sieht. Hierzu stellten wir uns in einem Gedankenexperiment vor, dass wir unser Hubble-Weltraumteleskop auf eine Entfernung von einem Lichtjahr zu unserer Sonne hieven könnten. Die Frage lautete nun, ob wir zumindest mit dem Hubble-Teleskop unsere Sonne aus dieser Entfernung als winziges Scheibchen auflösen könnten. Oder etwa nicht?
Etwas Zahlensalat
Die Rechnung hierzu ist im Prinzip ziemlich einfach. Man muss in erster Linie nur das Verhältnis von Sonnenradius (0.7 Mio. km) und der Strecke von einem Lichtjahr bilden. Da ein Lichtjahr diejenige Strecke ist, die das Licht bei einer Ausbreitungsgeschwindigkeit von 300.000 km pro Sekunde zurücklegt, kommen wir zu dem Schluss, dass ein Lichtjahr der Strecke von ca. 300.000 * 3600 * 24 * 365 = 9500 Milliarden Kilometern entspricht. Teilt man nun die 0.7 Millionen Kilometer durch die Strecke von 9500 Milliarden Kilometern und lässt sich nicht durch die ganzen Nullen verwirren, erhält man die winzige Zahl 0.000000074. Dies entspricht dem halben Öffnungswinkel, unter dem wir die Oberfläche der Sonne sehen. Will man diese Zahl in das übliche Winkel-Grad umwandeln, muss man sie noch mit 180 multiplizieren und durch 3.1415… (Pi) teilen.
Man erhält so den Wert des Öffnungswinkels der Sonnenoberfläche bei einem Sonnenabstand von einem Lichtjahr etwa 0.0000042 Grad. Das ist ziemlich unhandlich klein. Für solche mikrobischen Gradangaben, wie sie in der Astronomie durchaus üblich sind, gibt es die Umrechnung von Grad in Bogenminuten (mal 60) und sogar in Bogensekunden (nochmal mal 60). So gesehen erhalten wir für unseren winzigen Winkel einen Wert von 0.0000042 * 60 * 60 = 0.0000042 * 3600 = 0.015 Bogensekunden. Das ist nun eine Hausnummer, die man mit astronomischen Erfahrungswerten vergleichen kann.
Das Auflösungsvermögen des menschlichen Auges beträgt 1 Bogenminute; also 60 Bogensekunden. Nun bedeuten die 0.015 Bogensekunden für unsere ferne Sonne, dass wir sie nicht als Scheibe, sondern nur freiäugig als Punkt wahrnehmen können.
Unsere Erdatmosphäre begrenzt ebenfalls die Auflösbarkeit von winzigen Winkelabständen auf maximal eine Bogensekunde. Die ferne Sonne würde durch unsere Atmosphäre als punktförmiges, funkelndes Sternchen wahrgenommen werden.
Und das Hubble-Teleskop?
Aber wie sieht es nun mit dem Hubble-Weltraumteleskop aus, welches sich ausserhalb des störenden Einflusses unserer Atmosphäre befindet? Sein Auflösungsvermögen beträgt winzige 0.05 Bogensekunden – jedoch sind die 0.015 Bogensekunden noch kleiner: Selbst das Hubble-Weltraumteleskop könnte also unsere Sonne ebenfalls nicht soweit auflösen, dass sie als kleines Scheibchen zu erkennen wäre.
Das hier verwendete Lichtjahr ist für die Astronomen der gebräuchliche Längenmaßstab (neben dem Parsec). Das liegt daran, dass die geringsten Entfernungen zwischen den Sternen Lichtjahre betragen. So ist der uns nächste Stern, Proxima Centauri, nicht wie in unserem Gedankenexperiment nur ein Lichtjahr, sondern ganze 4.24 Lichtjahre entfernt. Die Entfernungen der übrigen Sterne in unserer Nachbarschaft, die wir mit unseren Teleskopen studieren können, betragen bis zu 1000 Lichtjahre, in Kugelsternhaufen bis zu einigen zehntausend Lichtjahre.
Das bedeutet, dass wir alle Sterne – auch solche, die um ein Vielfaches größer sind als unsere Sonne – aufgrund ihrer riesigen Distanzen immer nur als unterschiedlich helle, farbige Lichtpünktchen erkennen können. Selbst durch teure Amateur- und Profiteleskope. Und selbst das Weltraumteleskop Hubble muss passen.
In vorderster Forschung
Erst neuerdings konnte man durch das Zusammenschalten von zueinander weit entfernten Hochleistungsteleskopen (Very Long Baseline-Interferometry, VLBA) das Auflösungsvermögen soweit reduzieren, dass man einige nahe order fernere Riesensterne nicht mehr als punktförmige Objekte erscheinen, sondern man erahnt tatsächlich ihre Formen. Aber das ist für uns Amateurastronomen eine ganz andere Liga…